Der Kanton Bern hat entschieden: Die Rehhaggrube in Bümpliz soll nicht zur Deponie werden
Medienmitteilung von Bern bleibt grün Bern, 4. September 2025
Der Verein «Bern bleibt grün» erreicht im Streit um die Zukunft der ehemaligen Tongrube Rehhag im Westen Berns einen wichtigen Erfolg:
Das Departement für Inneres und Justiz (DIJ) des Kantons Bern hat am 13. August 2025 die Beschwerde des Vereins gegen den Gesamtentscheid des Amts für Gemeinden und Raumordnung (AGR) aus dem Jahr 2019 gutgeheissen. Er hat entschieden, dass das rund 25 Hektaren grosse Areal nicht als Deponie genutzt bzw. überbaut werden darf.
Damit rückt das Ziel näher, das wertvolle, inventarisierte Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung integral zu erhalten und zu schützen.
In Berns Westen liegt die seit 23 Jahren stillgelegte Tongrube Rehhag; ein gut zehn Hektaren grosser vielfältiger Lebensraum für zum Teil seltene Pflanzen und Tiere, von denen manche sogar auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen. Insbesondere leben in der Grube einige selten gewordenen Amphibienarten, darunter die Gelbbauchunke, der Wasserfrosch sowie die Kreuzkröte. Kein Wunder also, dass dieser Lebensraum bereits im Jahre 2001 ins «Inventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung» IANB aufgenommen wurde; notabene wegen des Nutzungs-Schutzkonflikts als nicht definitiv bereinigtes Schutzobjekt. Seither steht das Biotop unter dem vorsorglichen Schutz des Bundesrechts und wird vom Kanton Bern gepflegt.
Planung und Bauvorhaben der Stadt Bern: Deponie und Naturschutzgebiet
Der hohe und ausgewiesene naturschützerische Wert der Grube hat deren Eigentümerschaft und die Stadt Bern nicht von ihren Plänen abgehalten, die Grube mit rund einer Million Kubikmetern Aushub und Bauschutt bzw. Inertstoffen gemäss der Überbauungsordnung und Zonenplanänderung Rehhag von 2017 aufzufüllen. Auf der dereinst mit Deponieabfällen zugedeckten Grube sollten später ein Naturschutzgebiet und Platz für Freizeitaktivitäten geschaffen sowie verschiedene Bauten errichtet werden.
Die Einsprache durch «Bern bleibt grün»
Der schon im Jahre 2002 von den Stimmberechtigten angenommene Zonenplan Rehhag wurde im Jahre 2017 überarbeitet, so dass neben unverschmutztem Aushub- und Ausbruchmaterial auch Inertstoffe abgelagert werden können. Gegen dieses 2017 aufgelegte Vorhaben Überbauungsordnung Rehhag hat «Bern bleibt grün» dazumal eine Einsprache eingereicht. Der Verein kritisierte darin unter anderem den von der Bauherrschaft vorgelegten Umweltverträglichkeitsbericht als völlig unzureichend, auf den sich die Stadt Bern sowie das AGR abgestützt hatten, und er verlangte eine Überprüfung des behaupteten Deponienotstands. Vor allem aber hielt er fest, dass die Behauptung der Stadt, das Gesetz schreibe zwingend ein Auffüllen der Grube vor, falsch sei. Unter bestimmten Umständen – wie im vorliegenden Fall – würden vielmehr die nationalen Interessen des Naturschutzes überwiegen. Zudem schliesse auch die kantonale Deponieplanung explizit die Nutzung von Amphibienlaichgebieten von nationaler Bedeutung als Deponiestandort aus.
Gemeinderat und Stimmbevölkerung 2018 für die Deponie
Die zuständige Direktion des Gemeinderats und auch das Stadtparlament schenkten dieser sehr wohl begründeten Einsprache kaum Beachtung, trotz Auflistung der Argumente und Gesprächsangeboten. Im Juni 2018 votierte die Stimmbevölkerung der Stadt Bern für diese Zonenplanänderung und damit erneut für die Auffüllung der Grube. Die bekanntermassen falsche Behauptung im Abstimmungsbüchlein, die Grube müsse von Gesetzes wegen aufgefüllt werden, hatte wohl verfangen. Und beruhigend, gar verlockend mochte das Versprechen der Stadt Bern auf das Stimmvolk gewirkt haben, dass im Grubenperimeter nach Abschluss der Wiederauffüllung ein neuer, nun rechtlich geschützter Naturraum entstünde, Grillplatz inbegriffen, der fortan durch die Stadt gepflegt würde.
Die Beschwerde von 2019
Nachdem das AGR mit Gesamtentscheid vom 26. September 2019 die Einsprache von «Bern bleibt grün» auf Antrag der Stadt Bern abgewiesen hatte, legte der Verein bei der DIJ Beschwerde ein. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens verlangte er unter anderem, die Eidgenössische Kommission für Natur- und Heimatschutz (ENHK) sei mit einem Gutachten zum naturschützerischen Wert der Grube zu betrauen. Die DIJ gab dieser Forderung statt, und im Frühjahr 2021 fand eine Begehung der Grube durch ENHK-Mitglieder und Vertretungen der Streitparteien statt.
Die Beurteilung der Grube durch die ENHK
Die Einschätzung, welche die ENHK in ihrem Gutachten vom Dezember 2021 vorlegte, hätte klarer nicht sein können: Bei der Grube Rehhag handle es sich um ein aus ökologischer und naturschützerischer Sicht hochgradig schutzwürdiges Mosaik aus seltenen und wertvollen Lebensräumen, die auch Rückzugsort verschiedener gefährdeter Tierarten seien. Und zum Thema Renaturierung bzw. Wiederherstellung des vorher zugeschütteten Naturraums hielt die Kommission fest: «Die vorhandene Vielfalt an Lebensräumen und Arten wird mit der geplanten Auffüllung der Grube unweigerlich vollständig zerstört und kann durch die geplanten Ersatzmassnahmen nicht in der gleichen Qualität wiederhergestellt werden.» Die ENHK beantragte abschliessend, «dass auf die Auffüllung der Grube verzichtet wird und die bestehenden hohen Lebensraumqualitäten, insbesondere der Pioniercharakter, durch regelmässige Pflegeeingriffe in der bestehenden Grube erhalten werden».
Der Entscheid des DIJ vom 13. August 2025
Der Standort Rehhag ist für eine Deponie nicht zwingend
Die DIJ folgt in ihrem Beschwerdeentscheid vom 13. August 2025 letztlich der Empfehlung des ENHK-Gutachtens und unterstreicht den Naturwert des Gebietes. Zumal der Tonabbau schon im Jahre 2002 eingestellt worden war, stuft sie das Amphibienlaichgebiet rechtlich als sogenannt ortsfestes Schutzobjekt (und nicht als Wanderobjekt) ein. Dies hat zur Folge, dass in der vorzunehmenden Interessenabwägung ein Abweichen von den Schutzzielen nur für Vorhaben in Betracht kommt, die einem überwiegenden öffentlichen Interesse von ebenfalls nationaler Bedeutung dienen. Die DIJ bezweifelt, dass am Deponiestandort Rehhag ein nationales Interesse besteht, lässt diesen Punkt aber offen.
Gleichzeitig bemängelt sie die Deponieplanung der Regionalkonferenz Bern-Mittelland:
- Die Prüfung von Alternativstandorten, die nicht in Schutzinteressen eingreifen würden, sei mangelhaft bzw. ohne umfassende Interessenabwägung erfolgt.
- In den regionalen Richtplan Abbau, Deponie, Transporte ADT von 2017 seien im Teilraum West zehn neue Deponie-Standorte aufgenommen worden. Dadurch seien die vorher bestehenden Deckungslücken für die Ablagerung von unverschmutztem Aushub und für Inertstoffe behoben.
- Ausserdem gingen die bundesrechtlichen Vorgaben zum Naturschutz der kantonalrechtlichen Pflicht zur Grubenauffüllung vor.
- Auch der neuste kantonale raumplanerische Controllingbericht ADT 2024 gehe von einem rückläufigen Deponiebedarf aus, da die Vorgaben u.a. betreffend Recycling strenger geworden seien.
Zusammenfassend kommt die DIJ zum Schluss: Die Richt- und Nutzungsplanung für das Deponievorhaben sei unvollständig bzw. rechtsfehlerhaft wegen ungenügender Interessenabwägung mit den gewichtigen Interessen des Biotopschutzes an der Erhaltung des betroffenen Amphibienlaichgebiets von nationaler Bedeutung. Es fehle die nötige überregionale Alternativenprüfung für andere Deponiestandorte. Die Behörden hätten nicht aufgezeigt, zwingend auf den Standort Rehhag angewiesen zu sein. Die Überbauungsordnung Rehhag erweise sich daher als nicht genehmigungsfähig.
Entsprechend heisst die DIJ die Beschwerde vollumfänglich gut. Mit diesem Verdikt wird auch die Gesamtentscheid des AGR vom 26. September 2019 aufgehoben. Die Gemeinde «… hat folglich das Gebiet einer Schutzzone zuzuweisen oder durch andere geeignete Massnahmen zu schützen», wie es im DIJ-Entscheid heisst.
Weiterzug ans Verwaltungsgericht durch die Beschwerdegegner?
Offen ist, wie die Gegenparteien – die Messerli Kieswerk AG und Kästli Bau AG sowie die Stadt Bern – auf diesen Entscheid reagieren: ob sie ihn akzeptieren oder ob sie dagegen ans Berner Verwaltungsgericht gelangen, denn das Geschäft mit Bauabfällen ist bekanntermassen lukrativ.
Richtig und gut wäre es, wenn sich die Stadt Bern an ihre Rahmenstrategie «Nachhaltige Entwicklung RAN2030» erinnern und halten würde. In dieser Strategie hat sie die Prinzipien für die städtische Umwelt- und Wirtschaftspolitik zwischen 2021 und 2030 festgehalten. Dazu gehören prominent die Bewahrung und Förderung der Biodiversität und der nachhaltige Einsatz von Ressourcen (Stichwort Asphalt und Beton) sowie die Steigerung der Ressourceneffizienz. Den Worten sollten nun entsprechende Taten folgen!
Sicher ist, dass «Bern bleibt grün» eine allfällige weitere Auseinandersetzung zum Erhalt der hochgradig schützenswerten Grube Rehhag nicht scheut.
Kontakt Verein Bern bleibt grün
kontakt@bernbleibtgruen.ch
Wir bitten Medienschaffende per Mail an den Verein Bern bleibt grün zu gelangen; wir werden uns bemühen, prompt zu reagieren.
Kontakt Anwalt
Rechtsanwalt Dr. Michael Bütler
Tel. +41 (0)43 477 99 66
E-Mail: michael.buetler@bergrecht.ch
Weitere Informationen
Infos zur Rehhggrube: https://rehhaggrube.bernbleibtgruen.ch
Webseite des Vereins: https://bernbleibtgruen.ch